Tanja Karcher bei ihrer Arbeit im Wald, die sie als Gegenpol zur schnelllebigen Zeit empfindet.Foto: zvg

Zeitschriften | Verband & PolitikLesezeit 2 min.

Eine Pionierin, deren Weg noch lange nicht zu Ende ist

Tanja Karcher hat Geschichte geschrieben: Im vergangenen Jahr schloss sie – soweit bekannt – als erste Frau die eidgenössische Berufsprüfung zur Forstwart-Vorarbeiterin erfolgreich ab. Die 33-jährige Aargauerin will aber noch viele weitere Ziele erreichen.

Susanne Stettler* | Eigentlich wollte Tanja Karcher ja tiermedizinische Praxisassistentin werden. Doch statt mit Hunden und Katzen hat die 33-Jährige nun mit Motorsägen und Baumstämmen zu tun. Schuld daran ist die Berufsschau in Lenzburg (AG), welche Tanja Karcher im Jahr 2006 besucht hat. «An einem der Posten traf ich damals eine Forstwartin, kam mit ihr ins Gespräch und wurde neugierig auf den Beruf», erinnert sie sich. Wenig später ging die junge Frau im Forstbetrieb in Brittnau (AG) schnuppern. Dort gefiel es ihr so gut, dass sie sich um eine Lehrstelle in der Firma bewarb und diese schliesslich auch bekam.

Nach Abschluss ihrer Ausbildung arbeitete Tanja Karcher während zehn Jahren im Forstbetrieb Gränichen-Unterkulm (AG), bevor sie zum Forstbetrieb Region Aarau wechselte, wo sie aktuell noch tätig ist. Doch «nur» im Wald zu arbeiten, war ihr zu wenig, weshalb sich Tanja Karcher 2012 zur Berufsbildnerin ausbilden liess. Seite 2016 ist sie ausserdem diplomierte Holzerei-Lehrkraft für die überbetrieblichen Kurse A, B und C bei WaldSchweiz. Bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber bekleidet sie die Position einer Berufsbildnerin.

Eine Frau unter Männern

Die Aargauerin beschreitet gerne neue Wege, mag die Rolle als Pionierin. So ist sie nach gut zwei Jahren Modul-Ausbildung am Bildungszentrum Wald in Lyss (siehe Informationen am Ende des Artikels) nicht nur die erste diplomierte Forstwart-Vorarbeiterin der Schweiz, sondern sie war bei WaldSchweiz auch die erste Holzerei-
Instruktorin der Deutschschweiz. Allerdings wird sie nicht lange die Einzige bleiben:
«Soweit ich weiss, durchläuft in der Romandie gegenwärtig eine weitere Frau die Ausbildung zur Forstwart-Vorarbeiterin. Das freut mich enorm.»

Im Wald fühlt sich Tanja Karcher pudelwohl. «Ich arbeite gerne draussen. Die Funktion als Forstwart-Vorarbeiterin reizt mich, weil ich das ausführen kann, was ich zuvor geplant und gerechnet habe», erzählt sie. «Toll finde ich, dass ich dann sehe, was funktioniert und was nicht oder nicht ganz.» Sie empfindet ihren Beruf als eine Art Gegenpol zur heutigen schnelllebigen Zeit. «Im Wald braucht alles Zeit. Du siehst die Resultate deiner Arbeit nicht sofort, sondern es dauert, bis die Auswirkungen deiner Bemühungen erkennbar sind. Da­rum ist für mich die Erfahrung meiner älteren Kollegen auch so wertvoll.»

Stress kennt die zielstrebige Frau bei den Bäumen keinen. Herausfordernd sei es vielmehr hin und wieder, dass sie und ihre Berufskolleginnen und -kollegen quasi zwischen den Fronten stünden. «Für manche Menschen sind wir Baummörder, während andere finden, wir sollten nicht in die Waldgesellschaft eingreifen, sondern alles den natürlichen Prozessen überlassen. Damit umzugehen, ist manchmal nicht einfach», gesteht Tanja Karcher. 

Und wie leicht ist der Umgang für sie als Frau mit den männlichen Arbeitskollegen? Stiess oder stösst sie da auf Vorurteile? «Es gibt immer noch einige Männer, die finden, dass Frauen nicht in den Wald gehören. Im Grossen und Ganzen aber ist der Umgang angenehm – ich habe nie frauenfeindliche oder sexistische Sprüche gehört», erzählt sie. Da sie als Frau über weniger Muskelkraft verfüge als Männer, müsse sie sich allerdings immer wieder andere Methoden überlegen, um dasselbe Resultat zu erzielen wie ihre Kollegen. Sie mache den Kraftunterschied durch ihre Kondition und Technik wett. «Aber selbst wenn die Männer dich akzeptieren, musst du immer kämpfen, um deinen Standpunkt zu vertreten oder weiterzukommen.» Das hat Auswirkungen auf die Privatperson Tanja Karcher: «In meinem Privatleben achte ich bewusst darauf, meine feine, weibliche Seite nicht zu verlieren und mich nicht gleich zu verhalten wie im Wald.»

Das Glück auf dem Rücken des Pferdes

Einen Ausgleich zur anstrengenden beruflichen Tätigkeit findet Tanja Karcher bei ihrem Pferd Shadow. Der 13-jährige Apaloosa-Wallach erinnert optisch an Pippi Langstrumpfs «Kleinen Onkel». «Ich besitze ihn, seit er drei Monate alt ist», sagt die begeisterte Reiterin mit leuchtenden Augen und zieht dabei liebevoll den Kopf ihres treuen Gefährten an sich. Zuvor habe ihr eine Stute gehört, welche stolze 35 Jahre alt geworden sei. «Ich mache fünf- bis sechsmal in der Woche etwas mit Shadow. Er ist vor allem ein Reitpferd, denn ich betreibe leidenschaftlich gerne Westernreiten.» Doch sie hat noch weitere Pläne mit ihrem Liebling: «Ich möchte gerne mit ihm Holzrücken gehen. Es ist allerdings nicht so einfach, ein passendes Gelände dafür zu finden, weshalb es bislang erst einmal geklappt hat.»

Wegen ihres Umzugs von Safenwil (AG), wo sie aufgewachsen ist, nach Vordemwald (AG) und weil die Weiterbildung viel Zeit in Anspruch nahm, musste Tanja Karcher ihr Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr in Safenwil beenden, wo sie Gruppenführerin sowie für den Atemschutz und die Absturzsicherung verantwortlich war. Für ihre anderen Hobbys Töfffahren und Hallenklettern blieb ebenfalls keine Zeit mehr.

Von Frau zu Frau

Mit der Erlangung des eidgenössischen Fachausweises Forstwart-Vorarbeiterin hat Tanja Karcher Historisches geschafft. Sieht sie sich demzufolge als eine Art Vorbild für junge Frauen? «Diesbezüglich mache ich mir nicht allzu viele Gedanken, auch wenn es natürlich im Unterbewusstsein schon da ist. Ich gebe mir einfach Mühe, möglichst viele Frauen auf den gleichen Weg zu bringen. Aus diesem Grund bin ich auch gerne Auskunftsperson oder gebe Ratschläge, wenn dies gewünscht ist. Es wäre schön, wenn es mehr Frauen im Wald gäbe.» Ausserdem schwirrt da noch so ein Gedanke in ihrem Kopf herum: «Ich fände es super, wenn wir einmal ein Treffen möglichst vieler Frauen, die im Wald arbeiten, organisieren könnten, um unsere Erfahrungen auszutauschen und uns zu vernetzen.»

Für die Aargauerin selbst ist klar, dass sie ihr gesamtes Berufsleben bei den Bäumen verbringen will. Sie träumt davon, in einem Betrieb alt zu werden, dabei körperlich gesund zu bleiben und ihr Wissen und ihre Erfahrung später an die Jungen weitergeben zu können. Inzwischen ist sogar Tanja Karchers grosser Wunsch in Erfüllung gegangen: Sie hat bei der Forstbetriebsgemeinschaft Am Blauen in Ettingen (BL) eine Stelle als Forstwart-Vorarbeiterin gefunden, die sie am 1. Juni antreten wird. 

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