Im Frühling 2022 begann der Forstbetrieb Münchenstein-Arlesheim mit der Umwandlung dieses Waldrandes. Gleich nach dem Eingriff, sah die Fläche etwas leer aus. Eineinhalb Jahre später ist der Waldrand wieder mit dichter Vegetation bewachsen. Die Brombeere kann je nach Standort am Anfang einer Umwandlung zum Problem werden, weshalb Pflegeeingriffe nötig sind. Fotos: H. Leuthard / M. Hauswirth

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Waldrandumbau: mehr Licht, mehr Struktur und mehr Vielfalt

Schweizer Forstbetriebe helfen tatkräftig mit, die Biodiversität im Wald zu erhöhen. Im Kanton Basel-Landschaft sollen bis 2024 rund 750 Kilometer Waldrand aufgewertet sein. Worauf es bei Umwandlung und Pflege ankommt, erklären drei Baselbieter Experten.

Mischa Hauswirth und Sarah Sidler | Darüber, wie sie aufgebaut sein sollten und wie sie einen Mehrwert für Natur und Landschaft bringen, gibt es im Kanton Basel-Landschaft klare Vorstelllungen: Durchschnittlich 15 Meter breit ab Waldgrenze sollten sie sein, viele verschiedene Sträucher sollten in ihnen wachsen, zudem braucht es Stufigkeit und möglichst viele Kleinstrukturen. «Im Idealfall gibt es auch einen Krautsaum am äussersten Rand, der aber bereits in der Landwirtschaftszone beginnt», sagt Helen Rutishauser, zuständig für Biodiversität im Wald beim Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung in Sissach. Damit Waldränder ökologischer und artenreicher werden, läuft im Kanton Basel-Landschaft über 25 Jahre schon ein Aufwertungsprogramm, das Erst- sowie Pflegeeingriffe gezielt fördert und finanziell abgilt. Welche Massnahmen für welchen Waldrand vorgesehen sind, wird bereits im Betriebsplan der jeweiligen Forstreviere festgelegt. «Bei Förstern und den Gemeinden ist das Bewusstsein durchaus vorhanden, dass Waldrandpflege sinnvoll ist und deshalb umgesetzt werden soll», sagt Luzius Fischer, Kreisforstingenieur vom «Forstkreis 1, Birs» beim Amt für Wald beider Basel. «Es ist natürlich sicherlich einfacher, die Forstbetriebsverantwortlichen zu erreichen, wenn die Finanzierung solcher Eingriffe gewährleistet ist.» 

Pauschalabgeltungen für Eingriffe

Einer der Förster, der schon seit Jahren an dem Programm teilnimmt, ist Fredi Hügi, Betriebsleiter des 513 Hektar grossen Reviers Arlesheim-Münchenstein. Hügi hat bereits etliche Waldrandstreifen umgewandelt und pflegt jedes Jahr mehrere Abschnitte. «Bei den Ersteingriffen müssen wir oft ziemlich heftig mit der Motorsäge rein», erzählt Hügi. Seine Forstwarte fällen dann die grösseren Bäume und manchmal auch sehr dominante Sträucher, um die gewünschte Breite von 15 Metern zu erreichen. 

Die Abgeltung, die der Kanton für den Erst- sowie den Pflegeeingriff bezahlt, bezeichnet Hügi als «attraktiv». Die Betriebsverantwortlichen seien aber gefordert und müssten schauen, dass Aufwand und Finanzierung sich im Gleichgewicht befänden. «Wenn immer es geht, kombiniere ich die Waldrandumgestaltung mit einer Durchforstung. Dann kann der Arbeitsaufwand kombiniert werden», so Hügi. 

So hat er auch schon den Vollernter an einem Waldrand eingesetzt, wenn diese Maschine eh für Arbeiten im Gebiet war. Um den Aufwand tief zu halten, arbeitet der Forstbetrieb Arlesheim-Münchenstein auch mit Organisationen und Vereinen zusammen, die Freiwilligenarbeit für die Natur organisieren und beispielsweise nach einer Waldrandumwandlung oder einem stärkeren Pflegeeingriff Asthaufen errichten.

Laut Förster Hügi kann Naturschutz ein rentables Standbein für einen Forstbetrieb sein. Denn durch die Naturzschutzmassnahmen habe ein Forstbetrieb ein weiteres «Produkt» im Angebot, ausserdem seien solche Arbeiten auch attraktiv für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sagt Hügi.

Viele Sträucher, wenige Bäume

Während die Ersteingriffe meist im Winterhalbjahr erfolgen, führen Hügi und sein Team die Pflegemassnahmen nach oder vor der Brut- und Setzzeit durch. Immer dann, wenn bei der Arbeitsplanung gerade ein «Loch» bestehe, wie Hügi es nennt. Jedenfalls ist zwischen Mai und August aus Rücksicht auf Tiere auf jegliches Arbeiten in der Hecke zu verzichten. «Wenn wir eingreifen, schauen wir, dass nicht nur Schwarzdorne oder Hartriegel wachsen, sondern dass wir eine möglichst breite Artenmischung an Sträuchern und lichtliebenden, niedrigwüchsigen Baumarten hinbekommen», erklärt Hügi. 

Zu einer wertvollen Artenmischung gehören auch Bäume wie der Speierling (Sorbus domestica), die Wildbirne (Pyrus pyraster) oder der Wildapfel (Malus sylvestris) und der Faulbaum (Rhamnus frangula). «Sträucher sollten vor allem dort nachgepflanzt werden, wo die angestrebte Artenvielfalt natürlicherweise nicht erreicht werden kann», 
sagt Rutishauser.

Gerade bis die gewünschte Artenmischung sich etabliert hat, braucht es Pflegeeingriffe. Vor allem schlagen die bei der Umwandlung abgeschnittenen Baum- und Straucharten wie Linde, Hasel oder Ahorn rasch wieder aus und müssen in einem Rhythmus von durchschnittlich vier Jahren zurückgedrängt werden. Aber auch die Brombeere kann flächig sehr stark auftreten. Gemäss Hügi erfolgen solche Eingriffe meist mit dem Freischneider.

Ein weiteres Problem, das nach einem Ersteingriff auftreten kann, ist die Ausbreitung von Neophyten. Drüsigies Springkraut (Impatiens glandulifera), Kanadische Goldrute (Solidago canadensis), Sommerflieder (Buddleja davidii) usw. können sich rasch im lichten Waldrand ausbreiten und die gewünschten Pflanzen-
arten be- oder sogar verdrängen, kommt es nicht zu einer Waldrandpflege. «Sobald der Waldrand sich mit der gewünschten Vegetation schliesst und weniger Licht vorhanden ist, verschwinden die meisten Neophyten wieder», sagt 
Rutishauser.

Dennoch sollte das Neophytenrisiko in die Eingriffsplanung miteinbezogen werden. Hügi sagt, dass Kantone für die Bekämpfung invasiver, gebietsfremder Arten ebenfalls Beiträge zur Verfügung stellen, auch Einsätze mit Zivildienstleistenden ist möglich. 

Möglichst strukturreich

Galt vor Jahrzehnten noch das Ideal eines im 45 Grad ansteigenden Waldrandes, bestehend aus Kraut-, Strauch- und Klein-Baumzone, so wird heute eine horizontale wie vertikale Stufigkeit angestrebt. Der Waldrand kann dabei auch Buchten oder Ausstülpungen haben. «Je nach Situation kann es auch sinnvoll sein, einen wertvollen Biotopbaum am äussersten Waldrand stehenzulassen», sagt Rutishauser. Von Pauschalrezepten, wie ein Waldrand auszusehen hat, hält sie wenig: «Es gilt, für jeden Standort die geeignete Struktur sowie Artenmischung zu finden, damit dieser äusserste Randbereich eine ökologische Aufwertung erfährt.»

Wenn die Spezialistin von Struktur spricht, ist nicht nur eine möglichst lebendige Hecke aus vielen verschiedenen Pflanzen in unterschiedlicher Grösse und Form gemeint, sondern auch die Schaffung von Kleinstrukturen, was sich positiv auf Pilze und Tiere, beispielsweise Insekten, auswirkt. Gemeint ist damit Totholz, Asthaufen, Wildbienenhabitate oder Wieselburgen (vgl. Box S. XX).

Im Kanton Basel-Landschaft werden die Eingriffe und Pflegemassnahmen in Waldrändern bereits im Vorfeld besprochen. Und nach jedem Eingriff gibt es eine Begehung mit dem Betriebsleiter und den kantonalen Behörden. Einerseits handelt es sich dabei um eine Art Nachkontrolle, andererseits um eine Orientierungshilfe für weitere Eingriffe.

Der Kanton Basel-Landschaft führt aus diesem Grund in diesem Herbst auch eine Weiterbildung für Forstfachleute durch, um die Idee hinter der Waldrandpflege sowie Tipps und Tricks besser bei den ausführenden Forstbetrieben und Unternehmen zu verankern.

Öffentlichkeit immer informieren

Hügi rät, vor Waldrandumwandlungen die Öffentlichkeit zu informieren. «Die Ersteingriffe können auf Waldbesuchende verstörend wirken, weil das gewohnte Erscheinungsbild des Waldes nicht mehr vorhanden ist», sagt der Arlesheimer Förster. Er setzt auf gezielte Information, zum Beispiel in einer lokalen Zeitung oder über Informationstafeln und über Social Media. «Dabei ist wichtig zu erklären, warum diese Massnahme erfolgt und was es für positive Folgen für die Natur hat. Die allermeisten Leute verstehen es dann», so Hügi.

Investition in die Biodiversität

Der Kanton Basel-Landschaft stellt pro Jahr 900 000 Franken für die Waldränder zur Verfügung, das gesamte Budget für Naturschutzmassnahmenn im Wald beläuft sich auf 2,7 Mio. Franken. Ob ein Betrieb Geld erhält, entscheiden die kantonalen Stellen aufgrund der Anträge. 

Waren vor Jahren noch Ersteingriffe, also Waldrandumstrukturierungen häufiger (es wurden kaum oder gar nicht vorhandene Waldränder umgewandelt), so beantragen die Försterinnen und Förster inzwischen zunehmend Beiträge für die Pflege. Diese Pflegeeingriffe sollten zu Beginn in einem genügend dichten Turnus ausgeführt werden, damit möglichst bald die gewünschte Stabilität der Artzusammensetzung erreicht wird. Im Rahmen der Waldentwicklungspläne legt der Kanton fest, welche Waldränder aufgrund des Mehrwertes für den Naturschutz mit welcher Dringlichkeit umgewandelt werden sollten. So entscheiden die Abteilung Natur und Landschaft und das Amt für Wald beider Basel, welcher Waldrand in die Prioritätsstufe eins, zwei oder drei fällt, wobei die Stufe eins «hohe Dringlichkeit» bedeutet. «45 Prozent aller Waldränder im Baselbiet haben bereits eine Aufwertung erfahren», sagt Rutishauser. Für besonders erfreulich erachtet sie, dass alle 22 Forstreviere des Kantons Basel-Landschaftt sich am Programm beteiligen. Es sind somit also alle Kantonsgebiete dabei. 

Es gibt auch Ausnahmen, Orte, wo die Waldrandpflege nicht zur Anwendung kommt. «Entlang von Kantons- und Gemeindestrassen haben wir keine Wald-
ränder ausgeschieden», sagt Luzius Fischer. Das hat vor allem den Grund, weil dort Sicherheitsholzschläge notwendig sein können, um das Risiko für den Verkehr vor umstürzenden Bäumen oder herabfallenden Ästen für den Verkehr zu reduzieren. Und diese Schläge müssen breiter sein als nur 15 Meter, meistens um die 30 Meter oder eine Baumlänge. 

Gemäss Hügi muss die Waldrandaufwertung auch dort genauer geprüft werden, wo es sich um Schutzwald handelt und die Gefahr besteht, dass beispielsweise Steine auf die Strasse gelangen. Denn lichte und strukturreiche Waldränder bieten nicht den gleichen Schutz gegen Steinschlag wie eine dichte Bestockung mit Bäumen. Die kantonale Biodiversitätsstelle 
hat auch damit begonnen, sogenannte innere Waldrandaufwertung zu fördern. Gemeint sind damit wertvolle Stellen 
entlang von Waldwegen innerhalb des 
Waldes. «Dadurch schaffen wir Wanderkorridore für seltene Pflanzen oder Insekten, beispielsweise Schmetterlingsarten», sagt Rutishauser. So wird ein Aspekt 
der Waldökosystemleistungen, jener 
der Biodiversität, weiter gestärkt und die Bedeutung des Waldes unterstrichen.

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